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Liebe Leserin lieber Leser, in einer Zeit, die für viele Menschen von großer Unsicherheit bezüglich Freiheit, Frieden und Sicherheit in der Welt geprägt ist, möchte ich Ihnen gerne ein paar Mut machende Gedanken zum Sonntag „Okuli“: „Augen“ (abgeleitet aus Psalm 34, Vers 16) weitergeben. Als Hintergrund habe ich einen Abschnitt aus dem Jeremiabuch, Kapitel 20, ausgewählt: [Jeremia beklagt sich bei Gott über seine Last, ein Verkünder Gottes sein zu müssen:] HERR, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist zu stark gewesen für mich und hast gewonnen. Täglich werde ich deswegen verhöhnt. Und warum? Weil ich nichts Gutes mehr in deinem Namen predigen kann! Weil ich „Unrecht“ und „Gewalt“ rufen muss! Das nimmt niemand mehr an und alle lachen mich dafür aus. Und so dachte ich bei mir selbst: Ich denke einfach nicht mehr an Gott und ich setze mich auch nicht mehr für ihn ein. Und nun muss ich mitbekommen, wie viele heimlich sagen: „Da geht einer um, der verbreitet Angst und Schrecken; tut was dagegen!“ Sogar meine Freunde und die, die sich lange Zeit zu mir gehalten haben, werden unsicher, ob sie an meiner Seite bleiben sollen. Schlimmer noch: Auch sie wollen mich womöglich mit Gewalt zum Schweigen bringen. Aber dann denke ich wieder: Der HERR ist an meiner Seite wie ein starker Held. Ihm können meine Verfolger nichts anhaben und sie werden nicht gewinnen! Was Jeremia hier am Ende versichert: Gott ist an meiner Seite, letztlich kann niemand mir etwas anhaben, entspricht genau der Aussage des Sonntags Okuli: Gottes Augen: Okuli, sehen alle Menschen, die ihm vertrauen – auch gegen den Anschein. Für mich tun sich in diesem Text zwei wichtige Aspekte auf: Stimmt es noch, dass Menschen ein so großes Gottvertrauen haben, dass sie damit schwierige Situationen meistern? Ich fange mit dem zweiten Aspekt an, weil die Frage, ob Unrecht beim Namen genannt werden kann, relativ leicht zu beantworten ist: Es kommt darauf an, in welcher Staatsform wir leben. In einer Demokratie wie der unsrigen darf Unrecht beim Namen genannt werden. Niemandem wird der Mund verboten. Es wird darüber diskutiert, ob das vermeintliche Unrecht wirklich Unrecht ist. Es wird ein Ergebnis gesucht, das nicht immer alle zufrieden stellt, weil es sich vielleicht um einen Kompromiss handelt. Aber kein Ergebnis ist in Stein gemeißelt, ist veränderbar und kein Grund, jemanden völlig mundtot zu machen. In einer Diktatur ist das bekanntermaßen ganz anders. Kein Gesetz, keine Verordnung, keine Regelung darf angezweifelt oder auch nur infrage gestellt werden. Kritiker werden kaltgestellt, indem sie eingesperrt werden. Meistens kommt es noch schlimmer und sie werden gefoltert oder gleich umgebracht. Für diese Art Regime gibt es mehr Beispiele als genug in der Welt, uns fallen sofort Iran, Russland, China und Nordkorea ein. Ihre Dissidenten erleben womöglich Schlimmeres als Jeremia, der, nachdem das nachbarliche Großreich Babylonien die Macht über Jerusalem und Juda ergriffen hat, mit ins Exil deportiert wurde, wo sich seine Spuren verlieren. Der andere Aspekt, der den Jeremiatext ebenfalls aktuell macht, ist die Frage, ob heute noch ein so großes Gottvertrauen existiert, womit alle schwierigen Lebenslagen gemeistert werden. Auf diese Frage kann ich nicht pauschal und uneingeschränkt mit „ja“ oder „nein“ antworten. Hier kommt es sehr auf die persönliche Einstellung an. Was ich damit meine? Nun, es macht einen Unterschied, ob ich von Kindesbeinen an mit dem Gedanken an Gott vertraut bin oder nicht; ob ich gelernt habe, zu beten oder nicht; ob ich gelernt habe, dass es nicht nur mit dem Kinderwunsch meiner Eltern zu tun hat, ob es mich gibt oder nicht. Glauben und Gottvertrauen entstehen nicht einfach so. Sie entstehen durch Kennenlernen und Übung. Die ersten, die mich mit dem Gedanken an Gott in Verbindung bringen, sind in der Regel die Eltern. Nach dem Theologen und Pfarrer Traugott Giesen sind sie darum auch „die ersten Engel des lieben Gottes“. Dann folgen die nicht-elterlichen Einflüsse, die Kita, die Schule, der Kindergottesdienst. Die Institution Kirche spielt also eine gewisse Rolle. Daran ändert auch die berechtigte Kritik an der Kirche nichts, die sich meistens auf das Fehlverhalten von Amtsträgern und die Verleugnung des Zeitgeistes und des modernen Denkens bezieht. Tatsächlich werden ja an den Kontaktpunkten zur Religion: in den Gottesdiensten und anderen Kulturveranstaltungen im Raum der Kirche, Inhalte vermittelt, die ein profundes Gottvertrauen erzeugen können. Darum kommt es hier so sehr auf die Abstimmung von Inhalten und Atmosphäre an. Wirkt beides zusammen, ist das hilfreich für eine Beziehung zu Gott. Text und Musik und Raum und miteinander Feiern tragen zu einer Beziehung zu Gott bei, die ins Vertrauen münden kann. Sie aktivieren die Empfänglichkeit für das Mehr als diese Welt. Für das, was über diese Welt hinaushebt. Das Großartige daran: Text und Musik, Raum und miteinander Feiern helfen dabei, dass dieses Mehr auch draußen noch wirkt, dort, wo die Angriffe stattfinden, wo die In-Frage-Steller und Misstrauen-Säer ihr Unwesen treiben. Wolodymyr Selenskij ist für mich ein Beispiel für einen Menschen, der an dieses Mehr als die gerade um ihn herum zerstörte Welt glaubt, der daran glaubt, zu gewinnen, auch gegen den Anschein. Ernst genommen wird er dafür, wie Jeremia, nicht von allen. Aber er hört nicht auf, sein Gewissen sprechen zu lassen und auf seinem Weg der Demokratie und Freiheit gegen die Diktatur zu bleiben. Ob es so kommt, weiß heute wohl noch niemand. Ob Selenskij ähnlich gottergeben ist wie Jeremia war, wage ich auch nicht zu behaupten. Keiner tut sich heutzutage leicht, einen lebenden Menschen mit einem geachteten Propheten zu vergleichen. Was er aber ist: ein Vorbild im Nach-vorne-Sehen und sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ich würde schon sagen, dieser Persönlichkeit hätte Jesus das harte Wort: Wer seine Hand an den Pflug legt und zurücksieht, ist nicht bereit für das Reich Gottes (Lukas 9), nicht entgegengeschleudert. Doch bleiben wir nicht bei dieser Härte und auch nicht bei diesem hohen Anspruch stehen. Das wäre eine zu große Bürde. Ich denke, was Jesus sich wünscht, ist, dass wir uns nicht ewig mit Ablenkungen aufhalten, die uns eine Beziehung zu Gott vorenthalten, sondern das tun sollen, was jeweils ansteht. Mal ist es der Alltag, mal ist es der Feiertag. Ihre Susanna Arnold-Geißendörfer
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